Ettore Jelmorini

„Mit viel Eigenarbeit und der Hilfe eines einheimischen Steindachdeckers und Maurers stellten meine Eltern das Haus instand. Dieser tüchtige Handwerker hiess Ettore Jelmorini. Zwischendurch lehrte er mich am Bach unten die verbotene Kunst, Forellen von Hand zu fangen. Später wurde er ein bekannter Bildhauer.“  (Aus: „Mein Kindheitskoffer“.)

Diese Aufnahme machte mein Vater um 1956 in Remagliasco.

Ettore Jelmorini wurde am 17. Mai 1909 in Intragna geboren. Wie sein Grossvater und sein Vater übte er den Beruf des Steinhauers und später auch eines Mineurs aus. In seiner Jugend zog die Familie ins Val Vigezzo, um dort am Bau des Sanktuariums der Madonna von Re mitzuarbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Intragna schuf er in seiner Freizeit und an Regentagen gegen zweihundert Skulpturen aus Serpentin und Granit. Eine Madonna aus Granit schenkte er meinen Eltern, die sie in eine Nische im Wohnzimmer in Remagliasco stellten.

Ettore wusste, dass unsere Familie nicht katholisch war. Er fand, wir könnten die Madonna ja auch als Buddha betrachten.

Weil sich bei den traditionellen Kaminen mit ihren breiten Rauchfängen beim Kochen der Rauch oft auch in der Küche verbreitete, baute Ettore in den Häusern meiner Grosseltern und Eltern Kamine ein, die allen Rauch abzogen, so dass sich darin    ausgezeichnet feuern und kochen lässt.

Als Durstlöscher bereitete meine Mutter jeden Tag grosse Krüge mit Tee zu. Als es eines Tages im Krug auf dem Steintisch draussen von Ameisen wimmelte, wollte sie ihn ausschütten. Ettore schenkte sich noch rasch ein grosses Glas ein und trank es aus: Ameisensäure sei sicher gut gegen Rheumatismus.

Hier sitze ich 1993 mit meiner Tante Heidi vor ihrem Jelmorini-Kamin.

Als Ettore uns einmal in Bern besuchte, schlug er vor, er könnte in unserer Wohnung im  vierten Stock im Wohnzimmer ebenfalls einen Kamin einbauen. Die Arbeit würde er unentgeltlich leisten. Wir müssten nur die Granitsteine besorgen …

In den letzten Lebensjahren wurde die Bildhauerei für Ettore zur Hauptbeschäftigung und der Beruf des Steinhauers ergänzende Nebenarbeit. Er führte nun auch Auftragsarbeiten für Grabmäler und öffentliche Gebäude aus. Wir besuchten ihn immer wieder in seinem Atelier. Clown Dimitri und seine Frau Gunda kauften für den Garten ihres Ferienhauses im hoch oben zwischen den Centovalli und dem Onsernonetal gelegenen Weiler Calascio mehrere Skulpturen. Sie befinden sich jetzt im Museo Dimitri in Verscio.

Dieses Foto nahm mein Vater auf.  

Als ich einmal unter dem von Gioachino Zanoli gebauten Betonbrücklein Forellen beobachtete, sah ich Ettore kommen. Ich wollte ihn auf dem Weg oben begrüssen, glitt auf einem Block aus und stürzte Kopf voran auf einen im Wasser liegenden, zum Glück flachen Stein. Als ich wieder zu mir kam, stand Ettore neben mir, half mir auf und führte mich zum Haus.

Für den Rest der Ferien wurde mir von Zeit zu Zeit übel. Ich verschwand dann auf eine ehemalige Weinberg-Terrasse. Meinen Eltern erzählte ich nichts davon, aus Angst, dass sie mich zu einer Untersuchung ins Spital von Intragna bringen könnten. Als dann viel später im Progymnasium meine Noten in Mathematik zu wünschen übrig liessen, erklärte ich, die Hirnerschütterung habe damals mein Mathematikzentrum beschädigt.

Ettore starb am 6. April 1968 im Alter von 59 Jahren auf der steilen Treppe, die von der Stazione Intragna ins Dorf hinauf führt.

!991 besuchten wir die Ettore Jelmorini-Ausstellung in Ascona.

Diese Madonna ist im Museo Regionale Centovalli-Pedemonte in Intragna zu Hause.