Das alte „Freundschaftsglas“ fotografierte ich auf dem Bistro-Tischchen neben meinem Atelier.
In einer Zeit der auf Distanz angetönten Umarmungen und mit der Hand zugeworfenen Küsse, der langen Telefongespräche, der Youtube-Konzerte, ZOOM-Sitzungen und virtuellen Museumsbesuche bekommt „Freundschaft“ einen nostalgisch romantischen Glanz, auch wenn wir sie nicht mehr so pathetisch „besingen“ können, wie dies die dänische Dichterin Friederike Brun tat.
Mit ihrem Berner Freund, dem Schriftsteller und Politiker Karl Viktor von Bonstetten, und mit ihrem deutschen Dichterfreund Friedrich Matthisson, der die Prinzessin von Anhalt-Dessau begleitete, verbrachte sie zehn unvergessliche Tage in Mendrisio, nachdem sie auf der Hinreise in Jena Schiller und von Karlsbad aus Goethe besucht hatte.
Von Mendrisio aus machte sie mit Bonstetten, Matthisson und der Prinzessin einen Ausflug in die am Comersee gelegene Villa Pliniana. Hier besiegelten die vier in einer Lorbeergrotte einmal mehr ihren Freunschaftsbund. Ich zitiere Friederike Brun aus dem 1944 im Artemis-Verlag Zürich erschienenen Buch „Frühe Freunde des Tessins“ von W. A. Vetterli.
Am 23. September 1795 hatte die Dichterin in ihr Tagebuch eingetragen:
Wie waren wir glücklich durch Einfalt und Güte! Alle trüben Nebel weit unter uns, schienen wir uns ohne Hülle zu durchblicken! Stille Einfalt des Herzens, sanfte Güte! Dir weihten wir uns ganz! Durchdrungen von namenloser Empfindung, fühlten wir uns wie von höheren Wesen umgeben! – Hand in Hand vereint, gelobten wir Treue – dir, o Natur! dir o Freundschaft! und dir kindlichen Dank, o hoher Regierer unserer Schicksale! O Villa Pliniana! So haben wohl nie Menschenherzen dir geopfert! Dir, o Unsterblichkeit! wollen wir leben und sterben! Und wäre nicht allein ein solcher Moment hier schon Pfand der Zukunft? Ja! Diese Felsen werden versinken, versiegen der Quell. Wir aber werden noch sein und uns noch lieben!
Im Oktober reitet Friederike dann mit Bonstetten durch die Centovalli, schreibt am 6. Oktober:
… Der Himmel war überall grau, nur fern über den steigenden Gebirgen unseres Centovalli lächelte uns eine ätherblaue Hoffnung der Zukunft entgegen. Um uns war alles wildromantisch. Giessbäche fallen über nackten, glänzenden Felsen herab, von prächtigen Kastanienhainen überwölbt…
Als Schluss füge ich hier einen Ausschnitt aus dem um 1890 in der Reihe „Europäische Wanderbilder“ bei Orell Füssli in Zürich erschienenen Band „Locarno und seine Thäler“ bei. Geschrieben hat das Buch J. Hardmeyer, illustriert wurde es von J. Weber.