Wenn ich an grauen Wintertagen ins kahle Geäst unserer Fruchtbäume blicke, steigen Erinnerungen an die orangen Kaki-Lampions auf, die im November in den Centovalli an den blattlosen Ästen leuchten. Bei unserem Besuch im vergangenen November nahm Marianne diesen Baum in Intragna auf.
Ich nehme mein Buch „Das Centovalli Brautgeschenk“ aus dem Gestell und suche das passende Zitat:
In der Centovallibahn setzt sich mir ein junger Mann mit Stirnglatze und schmalem Schnurrbart gegenüber. Wir kommen ins Gespräch. Er studiert in Genf an der Diplomatenschule und ist wieder einmal bei seiner Grosstante in Golino zu Besuch gewesen. Die dreiundachzigjährige Frau spinne sich immer mehr in ihre Fantasiewelt ein. Steif und fest habe sie behauptet, die Kakifrüchte am Baum vor ihrem Haus hätten eine Nacht lang geleuchtet wie kleine orange Lampions. Sie habe kaum schlafen können und sei immer wieder ans Fenster getreten. Gegen Morgen seien die strahlenden Kugeln erloschen und allesamt vom Baum gefallen. Er frage sich, wie lange die gute Frau so noch allein haushalten könne. Jedenfalls müsse er ihre Verwirrung unbedingt im Familienrat zur Sprache bringen.
„Für Ihre Grosstante ist es sicher ein traumhaft schönes Erlebnis gewesen!“
„Ich habe ihr auch gesagt, dass sie das nur geträumt habe. Da ist sie aber richtig zornig geworden und hat mich angefahren, sie werde wohl noch zwischen Wachsein und Schlaf unterscheiden können.“